Hier spricht der Schiedsrichter

Georg Kemper ist Schiedsrichter und Spielleiter im Schachverband Münsterland. Damit ist er auch stimmberechtigtes Mitglied im Bundesspielausschuss NRW (BSA). Auf NRW-Ebene ist er als Spieler, Mannschaftsführer und Schiedsrichter unterwegs. Er war Teilnehmer der beiden Sitzungen des BSA im Mai und Juni. Am vergangenen Samstag hat er die Oberligapartie SK Münster 32 gegen den SV Mülheim-Nord 2 geleitet.

Georg hat uns gebeten, seine Sicht zum Vorfall in diesem Wettkampf darzulegen. Weil die Vorgänge rund um das Hygienekonzept (download hier) nicht nur bei uns Fragen aufwarfen, sind wir diesem Wunsch gerne nachgekommen. Hier ist sein Text:

«Am Samstag, den 19.6. beschloss der BSA mit knapper Mehrheit die Fortsetzung der Saison und einstimmig ein Hygienekonzept. Das Hygienekonzept teilte der NRW-Spielleiter später den Mannschaften und Schiedsrichtern mit. In der Sitzung wurde das Hygienekonzept ausführlich diskutiert, auch die 3-G-Regel kam zur Sprache.

Einigkeit zum Hygienekonzept

Sinngemäß äußerten sich einige im BSA, dass das Land nicht mehr auf der 3-G-Regel bestehen würde, vielleicht nur noch einige Kommunen. Andere erwiderten, dass einige nicht spielen, wenn nicht alle gesundet, geimpft oder getestet sind. Aber auch das gegenteilige Argument wurde vorgebracht: dass einige dann nicht spielen werden, wenn sie sich testen lassen müssten. Alle waren sich schließlich einig, dass Personen, die keinen aktuellen Negativtest jünger als 48 Stunden vorweisen oder nicht als genesen oder geimpft gelten, das Turnierareal nicht betreten und an keinen Partien teilnehmen dürfen. Dies wurde dann auch so im BSA beschlossen.

Eine überraschende E-Mail

Am Donnerstag, zwei Tage vor der 8. Runde, kam eine überraschende E-Mail vom NRW-Spielleiter, dass die 3 G-Regel nicht beachtet werden müsse. Dies wurde am gleichen Tag auch so auf der Webseite des SBNRW veröffentlicht. Mehrere MitgliederInnen des BSA machten den Spielleiter darauf aufmerksam, dass das Hygienekonzept in der vergangenen BSA-Sitzung beschlossen und damit immer noch gültig sei. Ebenso wurde darauf hingewiesen, dass die Rücknahme der 3-G-Regel gegen die gültige Coronaverordnung des Land NRW verstoße.

Hinweis auf der Webseite des SBNRW vom 24.6.21

Der NRW-Spielleiter begründete seine Entscheidung damit, dass der BSA Änderungen vornehmen wolle, wenn der Gesetzgeber Restriktionen aufhebe. Das hatte in der BSA-Sitzung am Samstag davor aber kein anderer so verstanden. Schon gar nicht wurde es schriftlich festgehalten. Leider gab es bis zum Spieltag keine abschließende Einigung bezüglich des Vorstoßes des NRW-Spielleiters, er korrigierte seinen Fehler auch nicht.

Der Spieltag

Einen Tag später war ich dann Schiedsrichter in Münster und habe den Spielern erklärt, dass ich auf Umsetzung der 3-G-Regel bestehe. Die Aufgabe des Schiedsrichters ist es, darauf zu achten, dass die FIDE-Regeln und die Ausschreibung, zur Zeit mit Hygienekonzept, beachtet werden. Nicht mehr, nicht weniger, auch kein Ermessensspielraum. Die ohne Negativtestnachweis erschienenen Spieler äußerten danach deutlichen Protest. Ich bestand jedoch auf Nachweise.

Dann drückte mir plötzlich der Mülheimer Mannschaftsführer ein Telefon in die Hand. Ralf Chadt-Rausch war dran, ebenfalls Mitglied des BSA, daher voll im Bild der Sachlage, außerdem auch FIDE-Schiedsrichter. Er sagte nur kurz, der NRW-Spielleiter habe die 3-G-Regel aufgehoben. Ich teilte ihm mit, dass das Hygienekonzept weiterhin seine Gültigkeit habe. Was er natürlich auch wusste. «Mach, was Du willst», sagte er dann noch.

Nur in Münster umgesetzt?

Um 11:45 Uhr begann der Kampf schließlich. So schnell kann man einen Test machen und vorzeigen. Hätte man sich vorher an die Regeln gehalten, hätte das nur 5 Minuten gedauert. Vor der Hinfahrt buchen, kurz vorbei fahren und dann zum Spiellokal. Mein Eindruck vom Spieltag war dann, dass einige Spieler sehr froh waren. Weil nun alle im Raum nachweislich geimpft oder getestet waren und sie so verhältnismäßig sicher spielen konnten. Es gab es auch Spieler, die noch auf ihre erste Impfung warten.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass die 3-G-Regel bei allen 130 gespielten Partien (von 280 möglichen) am letzten Wochenende galt. Wahrscheinlich ist sie jedoch nur in Münster beachtet und umgesetzt worden, ansonsten nicht. Und am kommende Wochenende gilt das Hygienekonzept immer noch für alle, wenn auch wenige stattfindenden Kämpfe.

Kehrtwende

Nach der erneuten Kehrtwende von heute möchte ich noch eine Verständnisfrage klären: An die Coronaschutzverordnung muß sich jeder halten, ein Hygienekonzept von einem Sportverband kann darüber hinaus noch weitere Vorschriften beinhalten. Das Hygienekonzept sollte aber zumindest allen Anforderungen des Gesetzgebers entsprechen. Dies ist im beschlossenen Hygienkonzept voll umgesetzt.

Geänderter Hinweis vom 29.6.21

Selbst wenn das Land jede Coronaschutzverordnung aufhebt, gilt das Hygienekonzept, beispielsweise, wenn darin eine strikte Maskenpflicht beschlossen oder die 3-G-Regel verpflichtend gemacht wurde. Und zwar so lange, bis der BSA etwas neues beschließt. Eine einzelne Person kann den Beschluss des BSA nicht eigenmächtig aufheben.

Coronaschutzverordnung und Hygienekonzept sind vollkommen unabhängig voneinander. Und in diesem Zusammenhang ist interessant, dass jetzt die 3-G-Regel wieder gelten soll. Aber nicht etwa, weil man doch einsieht, dass man gegen das eigene Hygienekonzept verstossen hat. Nein, angeblich hat die Landesregierung etwas geändert, was aber überhaupt nicht stimmt.»

(Georg Kemper)

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